Radtouren, Radwege, Radreisen
Radtouren und Radreisen

Reisebericht D-Route 3
Unterwegs auf der D-Route 3. Eine Tour mit neuen Standards –
in drei Abschnitten.

Juni 2011, von Michael Kunst

Eigentlich bin ich ja gegen Normen, Standards und Reglementierungen. Denn sind es nicht die unzähligen Unterschiede, die Vielfalt des Machbaren, die kleinen Abenteuer, die dem Rad- und insbesondere Tourenfahrer so richtig Spaß machen? Doch soll man bekanntlich im Leben nicht alles so eng sehen, jedenfalls lernte ich auf der D-Route 3 neue Standards und Normen schätzen – was übrigens meinem Hang zum rad-touristischen Individualismus keinen Abbruch tat! Ganz im Gegenteil …

Welche Strecke wählt ein Gelegenheits-Tourenradler, wenn er im Laufe der Jahre im Radtouren-Paradies Deutschland schon so einiges „er-fahren“ hat und gerade deswegen am liebsten in heimatlichen Gefilden bleiben möchte? Genau, er lässt sich von dem Argument überzeugen, dass Steigerungen immer möglich sind. Auch oder gerade wenn zuvor bereits ein gewisses qualitatives Niveau erreicht wurde.Die D-Route 3 wurde seit 2008 als Pilotprojekt für das „Radnetz Deutschland“ ausgebaut. Mit ihr werden in einem mittelfristigen Zeitrahmen elf weitere Routen kreuz und quer durch Deutschland vernetzt, von denen jede auf bereits bestehenden und bei Tourenradlern etablierten Radwegen verläuft. Der Clou für die Radfahrer: Diese D-Routen werden ein einheitliches qualitatives Niveau erreichen, sollen gleichen Standards (wie etwa Unterkünfte, Gastronomie etc.) und einem hohen kulturellen Anspruch (Sehenswürdigkeiten entlang der Strecken) gerecht werden. Dass all’ diese Aspekte bereits bei der D-Route 3 realisiert sind, macht neugierig …

Über neunhundertsechzig Kilometer führt die D-Route 3 quer durch Deutschland. Von der deutsch-holländischen bis zur deutsch-polnischen Grenze werden (fast) alle Landschaftstypen unter die Räder genommen, von den zahlreichen historischen Stätten der „guten alten Zeit“ ganz zu schweigen. Apropos „Zeit“: Da genau die für ein derart langes Abenteuer fehlte, teilte der Autor die Gesamtstrecke in drei Abschnitte, die jeweils mit einigen Wochen Abstand abgefahren werden sollten. Und durfte gleich hier erfahren, dass ein ausgeklügeltes Verkehrskonzept auch (oder gerade?) bei der Radtourenplanung hilfreich sein kann. Denn nahezu jeder Abschnitt entlang der Strecke ist problemlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Ein Fakt, der die Reiseplanung enorm erleichtert und die Rückkehr auf die D-Route 3 deutlich vereinfacht.

Vom Münster- zum Weserbergland

Es sind oft die vermeintlich kleinen Erlebnisse, die nach einer Radtour in Erinnerung bleiben und immer wieder erzählt werden. Wie gleich am ersten Tag der Reise: Im Zwillbrocker Venn, einem der größten Natur- und Vogelschutzgebiete, sind tatsächlich einige wild lebende Flamingos zu entdecken, die hier ihr nördlichstes Brutgebiet in Europa haben. Womit gleich zu Beginn der Reise der Aspekt „naturnah“ durchaus unterstrichen wurde. Weiter ging’s meist auf alten „Pättkes“ (Wirtschaftswege abseits der
Hauptstraßen) vorbei an Gutshöfen und Schlössern bis zum Wasserschloss Hülshoff. Um ehrlich zu sein: Ohne die im wahrsten Wortsinne „klare“ Beschilderung wäre die Streckenfindung zu einem Ratespiel ausgeartet. Von Anfang an vermittelt die D-Route 3 ein vertrautes Gefühl!

Ob in der Fahrradstadt Münster, wo mehr Straßenkilometer für Radfahrer als für Autos freigegeben sind, ob im Wallfahrtsort Telgte, bei einem „Sattelwechsel“ im NRW-Landesgestüt Warendorf, beim Anblick des durchaus beeindruckenden Hermannsdenkmal, bei den Externsteinen, dem „mächtigen Kraftort unserer Vorfahren“ … mit jedem Etappenort, mit jeder Sehenswürdigkeit entlang der Strecke gelang der D-Route 3 ein kleines Kunststück. Sie führt mit Hilfe von Normen und Standards wie einer lückenlosen Wegebeschilderung und ausführlichen Informationstafeln zu Außergewöhnlichem und Individuellem. Doch am deutlichsten spürt man die positiven Aspekte einheitlicher Standards bei den Unterkünften und der Gastronomie entlang der Strecke. Mit Hilfe der Broschüre „Bett+Bike an der D-Route 3“ konnten zertifizierte, fahrradfreundliche Betriebe entlang der Strecke ausgesucht werden. Wer jemals bei ungünstiger Wetterlage, müde nach einer lange Etappe bei Fahrrad-mürrischen Hotels oder Pensionen um eine Unterkunft betteln musste, weiß diese neue Norm entlang einer Radroute durchaus zu schätzen! Und dass der Autor den ersten Abschnitt seiner D-Route 3-Befahrung nach einer Woche ausgerechnet in Einbeck beendete, lag allerdings nur zweitrangig an den tollen Unterkünften im historischen Fachwerk-Stadtkern, sondern eher an einer gewissen Vorliebe für das berühmte Bier aus dem Weserbergland.

Mittelgebirge und Magdeburger Börde

Sechs Wochen später, nach entspannter Bahn-Anreise mit dem Velo „im Gepäckwagen“, folge ich erneut den D-Route 3-Schildern auf zwei Rädern. Klar war, dass der zweite Streckenabschnitt meiner Deutschland-Durchquerung wohl am ehesten den Zusatztitel „naturnah“ verdienen würde. Drei UNESCO-Weltkulturerbe gab es zunächst zu bewundern: die Kaiserstadt Goslar mit ihrer beeindruckenden Altstadt und dem Besucherbergwerk Rammelsberg sowie die Oberharzer Wasserwirtschaft bei Clausthal-Zellerfeld. Aber dann „ab in die Natur“: auf den Bergwellen des Harzes, mit einem Abstecher zum „grünen Band“ (Biotopkette entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze), schließlich hinunter in die Magdeburger Börde. Durch Flusstäler von Bode und Saale in Richtung Elbe. Sechs Tage erholsames Tourenradeln, sechs entspannte Übernachtungen in teils urigen, teils luxuriösen Unterkünften, gefunden im Bett+Bike-Guide. Wer beim Tourenfahren moderate Streckenabschnitte „abklappern“ möchte, die den Weg zum Ziel haben, der wird auf diesen Etappen der D-Route 3 sein Glück finden. Erholsames Genussradeln mit Wohlfühleffekt – welcher Tourenradler ließe sich so etwas freiwillig entgehen?

Von der Elbe zur Oder

Es war vorhersehbar, dass spätestens mit Erreichen des Elberadwegs die Tour zu einem Gruppenerlebnis würde, da u.a. die große Anzahl an UNESCO Welterbestätten auf dem folgenden Streckenabschnitt Jahr für Jahr zahlreiche Tourenradler anlockt. Diesmal bin ich mit Freunden gemeinsam im Auto zum ersten Etappenort des dritten Abschnittes gefahren. Ab der Bauhausstadt Dessau und dem Biosphärenreservat Mittlere Elbe trifft man zudem immer öfter auf Gleichgesinnte; für viele ein willkommener „Nebenschauplatz“ beim Tourenradfahren. Vor uns liegt der kulturell eher „anspruchsvolle“ Abschnitt der D-Route 3: Das Gartenreich Dessau-Wörlitz, mit den zahllosen, in die Natur eingebundenen Schlösschen, Pavillons, Gartenhäusern, Kanälen und Brücken; die Lutherstadt Wittenberg, u.a. mit der berühmten Schlosskirche. Dann wird es im dünn
besiedelten Naturpark Hoher Fläming fast ein wenig einsam, bis hinter den Havelseen schließlich Potsdam auftaucht. Der geneigte Leser ahnt es schon: Kurz darauf fahren die Tourenradler über die Glienicker Brücke und bald mitten durch Berlin. Ohne die Strecke zu verlassen, weiterhin verlässlich geführt von der D-Route 3-Wegweisung, folgt eine „kleine Stadtrundfahrt“: Siegessäule, Schloss Bellevue, Hauptbahnhof, Regierungsviertel und Reichstag, Brandenburger Tor, Museumsinsel, Berliner Dom, Hackesche Höfe, Alexanderplatz, Kreuzberg, Treptower Park … gibt es eine bessere Möglichkeit, die Deutsche Hauptstadt zu erkunden, als mit dem Fahrrad? Eben! Tipp: eine passende Unterkunft in Berlin, egal ob Ferienwohnung oder Appartment finden Sie bei Oh-Berlin.

Das schöne am individuellen Tourenradeln ist ja die Unabhängigkeit. Es sei also völlig dahin gestellt, ob man Berlin im Schnellverfahren hinter sich lässt oder per Bett+Bike-Guide Unterkünfte für mehrere Nächte sucht – in jedem Fall gilt, dass man sich auch im Dschungel der Großstadt immer auf die Standards, Normen und Zertifizierung bei der Routenfindung und fahrradfreundlichen Übernachtung verlassen kann. Ohne Wenn und Aber!

Aber irgendwann verlasse ich dann doch unsere Hauptstadt, fahre durch eine herrliche Seenlandschaft bis in die Hügel der Märkischen Schweiz und rolle die letzte Etappe durch das Oderbruch zum Oder-Neiße-Radweg. Als ich schließlich in Küstrin-Kietz, dem offiziellen Zielort der D-Route 3 einfahre, überwiegt eher das Bedauern, „schon“ angekommen zu sein! Knapp tausend Kilometer radlerische Freiheit, die so aber erst durch die Normierung, Zertifizierung und einen neuen Standard zu „er-fahren“ waren, liegen hinter mir. Im Bahnhof, vor der Buchung der Bahn-Rückfahrt Richtung Westen, meldet sich kurz „der Freiheitsdrang“: Und wenn ich jetzt einfach weiterfahre, auf dem Europaradweg R1, bis rüber nach St. Petersburg? Oder dann doch lieber eine der anderen D-Routen entdecken, die bald schon die anderen Regionen Deutschlands miteinander verknüpfen werden …


 


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